Es wird so viel fotografiert wie noch nie. Laut statista.de wurden bereits 2017 etwa 1.200 Milliarden Fotos weltweit geknipst. 85 Prozent entstanden mit dem Smartphone, 10 Prozent via Digitalkamera, der Rest per Tablet. Gemäß Prognose darf man für das heurige Jahr von 1.500 Milliarden Fotos ausgehen. Die Kurve zeigt rasant nach oben. Pro Minute steigt die Weltbevölkerung um 157 Menschen. In derselben kurzen Zeit wächst alleine auf Facebook die Bilddatenbank um etwa 240.000 hochgeladene Fotos (Quelle: brandwatch.com). Bei einem internationalen Durchschnitt von jährlich etwa 300 Fotos pro Person kommt ein individuelles „Lebensarchiv“ vom tapsigen Baby bis zum rüstigen Rentner auf 20.000 Bilder und mehr. „Die Menschen werden von den Datenmengen erschlagen“, weiß Marlene Kittel. Seit wenigen Wochen leitet die 32-Jährige Freistädterin HappyFoto, den heimischen Marktführer bei Fotobüchern. „Viele sind mit der Menge an Fotos überfordert und nehmen sich nicht die Zeit, um Fotos auszusortieren.“
Hilfe bei der Bildauswahl
Marlene Kittel geht mit einem Expertenteam neue Wege. In Vorbereitung ist der Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). „Das ist eine große Chance, weil viele Personen dadurch schöne Erinnerungen, ihre schönsten Momente festhalten können.“ Spezifische Algorithmen sollen die Auswahl der besten Fotos erleichtern. Dabei geht es um technische Qualitäten wie Belichtung, Unschärfe oder Farbbrillanz. Geprüft werden auch Foto-Duplikate bzw. eine große Fotomenge aus einem kurzen Zeitraum. Darüber hinaus kann die KI auch Orte und Objekte sowie Gesichter erkennen und die damit verbundenen Informationen verarbeiten. Am Ende steht der Vorschlag für ein gedrucktes Fotobuch, das persönliche Erinnerungen dauerhaft und leicht verfügbar sichert. So würde zum Beispiel nach einem Ski-Wochenende mit Familie oder Freunden ganz einfach und schnell ein Fotobuch mit den Highlights der Gruppe entstehen, das jeder Teilnehmer schon wenige Tage später in Händen hält.
Erinnerung an besondere Momente
„Ein Fotobuch ist wie ein analoges Backup im Regal“, sagt Marlene Kittel. Auch im Digitalzeitalter bleibt die Beliebtheit von gedruckten Bildern ungebrochen. In den meisten Fotobüchern geht es um private Themen wie Urlaub oder Freizeit, Hochzeit oder Familie. „Fotos sind etwas sehr Emotionales, zum Beispiel das erste Lächeln, die ersten Schritte eines Kindes. Wenn ein solches Motiv verwackelt ist oder vielleicht noch ein Finger des Fotografen ins Bild ragt, hat es trotzdem einen hohen Stellenwert.“ Das zeigt die Herausforderung an Algorithmen, die das Foto im ersten Durchgang möglicherweise wegen technischer Mängel ausscheiden würden. „Unser Projekt ist erst Anfang des Jahres gestartet. Die KI kann dazulernen“, relativiert Marlene Kittel. „Da wird ein Standard-Profil hinterlegt oder ein individuelles Profil entwickelt. Möglich sind zum Beispiel auch thematische Eingrenzungen nach dem Motto: Will ich mehr Landschafts- oder mehr Personen-Fotos?“
Anwenderfreundliche Software
Die dauerhafte Speicherung von Bilddaten steht nicht auf der Agenda von Marlene Kittel. „Wir bieten keine Cloud für die generelle Foto-Archivierung. Die Analyse findet am Gerät des Kunden statt. Bei uns werden nur Fotos für das aktuelle Fotobuch gespeichert und danach in einem sehr sorgfältigen Lösch-Mechanismus wieder entfernt.“ Im Mittelpunkt stehe auch in Zukunft die Unterstützung bei der Bildauswahl zur Gestaltung von Fotobüchern. Das Unternehmen hat im Vorjahr viel Geld in die Verbesserung der IT investiert. Mit dem neuen Software-Angebot kann man schon auf der Heimreise vom Urlaub per Handy mit der Gestaltung eines Fotobuchs beginnen und es dann daheim auf dem Laptop fertigstellen. Design und die Bedienung des Programms sind auf allen Geräten gleich, egal ob Smartphone, Tablet oder PC. Mit nur einem Programm kann man alle Produkte bestellen, vom konventionellen Foto über Geschenksartikel oder Großformate bis hin zum Fotobuch.
Eine Million Fotobücher
„Wir investieren immer wieder in neue Maschinen und wollen schneller und besser sein“, erläutert Marlene Kittel. „Früher gab es Fotobücher nur in Sechzehner-Schritten, also mit 16 oder 32 Seiten. Jede Umstellung hat Rüstzeiten auf der Maschine von bis zu einer halben Stunde verursacht. Unsere neue Buchbinde-Maschine erlaubt die Produktion von Seitenumfängen in Zweierschritten. Damit sind wir sehr viel flexibler.“ HappyFoto stellt in Freistadt etwa eine Million Fotobücher pro Jahr her. Das Unternehmen ist Marktführer in Österreich, Tschechien und der Slowakei und hat in diesen Ländern sowie Deutschland über eine halbe Million Stammkunden. Es gibt nur mehr wenige heimische Mitbewerber, zugleich drängt der deutsche Marktführer cewe massiv nach Österreich. „40 Prozent unseres Umsatzes machen wir in den sechs Wochen vor Weihnachten. An Spitzentagen haben wir zuletzt 17.000 Fotobücher pro Tag produziert.“ Bis zu 150 Mitarbeiter arbeiten dann im Schichtbetrieb.
Chefin seit 2020
Da hilft die Chefin auch in der Produktion mit. Seit ihrer Jugend ist sie eng mit dem Unternehmen verbunden, das ihr Vater Bernhard Kittel 1978 als Ein-Mann-Betrieb gegründet hat. Gern erinnert sich Marlene Kittel an ihre erste Spiegelreflex-Kamera und einen Fotokurs des Vaters für sie und ihre Schwester in den Wäldern von Sandl bei Freistadt. „Wir haben uns ins Moos gelegt und Großaufnahmen gemacht.“ Vom Vater hat sie auch die Leidenschaft fürs Tauchen geerbt. „Mit acht Jahren hatte ich meinen ersten Tauchgang mit ihm.“ In den vergangenen Jahren hat sie sich jedes Jahr einen Tauchurlaub gegönnt, heuer geht sich das allerdings nicht aus. Wie es sich anfühlen würde, jetzt an der Spitze des Unternehmens zu stehen? „Gut!“ kommt die Antwort der 32-Jährigen mit einem strahlenden Lachen. Im März 2017 ist sie in den Betrieb eingestiegen und hat die Bereiche IT, E-Business und Kundendienst verantwortet. Seit Februar 2020 ist Marlene Kittel alleinige Geschäftsführerin und Eigentümerin.
Entscheidung mit 21
In den vergangenen Jahren haben die Kittels einen ganz eigenen Modus für ihre Abstimmung entwickelt: stundenlange Wald-Spaziergänge. Nur Dackel „Bastian“ ist dabei, wenn Vater und Tochter aktuelle Themen der Firma, aber auch der Gesellschaft oder des Alltags besprechen. Marlene ist die jüngste von drei Geschwistern. Ihre Entscheidung für das Familienunternehmen steht schon lange fest. „Der erste Anruf meines Vaters kam 2009 während meines Bachelor-Studiums in Boston. Er wollte wissen, ob ich Interesse an der Firma habe, weil eine große Investition bevorstand“, erzählt Marlene Kittel. „Diese frühe Einbindung war für mich wichtig.“ Allerdings wollte sie nicht gleich einsteigen, sondern ihre Studien abschließen und auswärts Berufserfahrung sammeln. Fünf Jahre arbeitete sie bei einer internationalen Unternehmensberatung im Bereich Konsumgüter und Telekommunikation. Für bedeutende Entscheidungen daheim nahm sie sich Urlaub, einmal sogar eine Auszeit von zwei Monaten, um interimistisch die E-Business-Leitung bei HappyFoto zu übernehmen.
Mit der Welt verbunden
Ihre Kontakte aus dieser Zeit pflegt sie nach wie vor, auch wenn ihre Studienorte Wien, Kopenhagen und Boston oder eine beste Freundin in San Francisco schon besondere Herausforderungen bedeuten. „Heute kann man sehr gut connected sein“, sagt Marlene Kittel. Neben Videotelefonie und sozialen Medien schätzt sie „analoge Besuche“ mit dem Flugzeug. Dass sie auf diesen Reise genauso wie auf ihren Tauchurlauben fleißig fotografiert und dann Fotobücher erstellt, versteht sich von selbst. Zu ihren persönlichen Schätzen gehört ein Fotobuch mit Bildern aus ihrer Kindheit, das sie zum dreißigsten Geburtstag bekommen hat. Ihre Zukunft sieht Marlene Kittel in ihrem Unternehmen. „Hoffentlich weiter ausgebaut, auch wenn es eine schwierige Branche ist.“
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