„Digital Immigrants“ vs. „Digital Natives“
„Digital Natives“ sind ins Digitalzeitalter hineingeborene Menschen, die besser als ältere Personen mit Informationstechnologien umgehen können sollen. Vor 1980 geborene Personen sind „Digital Immigrants“, die mühevoll ins Digitalzeitalter „eingewandert“ seien. Die beiden Begriffe prägte 2001 der US-amerikanische Autor, Lehrer und Manager Marc Prensky in seinem vielbeachteten Essay „Digital Natives, Digital Immigrants“ . Seitdem sagt man „Digital Natives“ spezielle Fähigkeiten nach – etwa jene, mehrere Informationsströme gleichzeitig verarbeiten zu können (Multitasking).
Aktuelle Forschung
Marc Prenskys Thesen widersprechen mehrere Untersuchungen, etwa die aktuelle Studie der niederländischen Forscher Paul Kirschner und Pedro De Bruyckere. In der Studie kommen die Bildungsforscher zu dem Schluss, dass „Digital Natives“ nicht eine grundsätzlich andere Auffassungsgabe haben als ältere Personen. Die Zeit vor der Digitalisierung nicht gekannt zu haben, sorge noch nicht für grundsätzlich andere Kompetenzen in puncto Informationsbearbeitung, so die Studienautoren.
Mythos Multitasking
Die Forscher weisen ferner nach, dass eine den „Digital Natives“ zugeschriebene Kernkompetenz – die gleichzeitige und raschere Informationsverarbeitung unterschiedlicher Info-Ströme – schlichtweg nicht existiere. Der Bildungspsychologe Kirschner erklärt das so: „Wir haben nur ein einziges Gehirn, das uns erlaubt, nur eine einzige Sache gleichzeitig zu bearbeiten.“ Auch wenn wir angesichts offener Browser-Fenster und Programme denken, dass wir mehrere Themen gleichzeitig behandeln, springen wir mit unserer Aufmerksamkeit lediglich hin und her, so die Autoren. Multitasking sorge für mehr Überforderung, als es dem Arbeitsprozess helfen würde. Aus diesem Grund erledigen jüngere Mitarbeiter Jobs auch nicht automatisch rascher als ältere Kollegen.
Fazit: Digital Natives gibt es nicht
Der Internet-Publizist Tim Cole bringt die Ergebnisse auf den Punkt: „Es gibt keine ‚Digital Natives’, sondern nur Menschen, die dem Neuen gegenüber aufgeschlossen sind und solche, die alles Neue ablehnen.“ In Zukunft gefragt seien genau diese Aufgeschlossenheit sowie Offenheit, Glaubwürdigkeit und Flexibilität, so Cole. Wichtig sei die Bereitschaft, sich schnell neue Kompetenzen anzueignen und mit neuen Tools umgehen zu lernen, sowie die Fähigkeit, selbstbestimmt im Team zu arbeiten. Beides sei gänzlich altersunabhängig.